200 Worte zu Rheinhessen

Für dich, Pit,
Der nie aufhörte, die Leute zu stricheln, halbwegs normale
Wie zusammengestückelte Monster, damit man sie alle sah
Und von ihnen wusste. Eins wollte sich rächen wegen seiner unglücklichen Gestalt,
Rannte kopflos den Rhein runter, bis ins Eismeer. Verständlich.
Du aber, unser Chef, hast deine Radierungen in Säure gebadet,
Während wir nachts blaumachten und mit der Spiegelreflex
Zerstreuungskreise von der strahlenden Chemiefabrik knipsten.
Säure und Druckfarbe blieben dir unter den Nägeln als Markenzeichen,
Dein dunkles Ungarblut. Uns machten die flammenden Farben der Leuchtkreise fertig.
In triefender Kluft, schwer wie die handgestrickten Badeanzüge unserer Mütter,
Hockten wir in den Schnakenauen, der eine trank Wein, der andere Wasser,
Oktay fütterte uns mit selbstgebruzzelten Schiwapschischi.
Irgendwann, meinte er, wolle er nach Anatolien oder Istanbul zurück,
Wegen des Heimwehs. Im Schlamm überkreuzten sich Fußspuren.
Pit mahnte, wir sollten wachsam bleiben. Um sich zu erfrischen, schwamm er raus
Und traf tatsächlich auf den verirrten Wal, rief ihm zu: Zurück, zurück,
Hier ist kein Durchkommen. Das Tier glotzte zu den Hanglagen rauf,
Wollte denen nach, die zuvor schon einen Weg gefunden hatten.
Der Erdbeermond schien und die Netze aus Zerstreuungskreisen flimmerten,
Wir aber schliefen. Als die Domglocken zu donnern begannen,
War es schon Mittag.

Mit großer Zuneigung
gewidmet meiner Geburtslandschaft
und den Menschen,
die mir nahe stehen